BF 20 (CNC): Absturz der Z-Achse

Ein Head-Crash ist eine ärgerliche Angelegenheit. Handelt es sich nicht um eine Festplatte, sondern um eine Fräse, ist er zudem nicht ungefährlich. Als Ursache stellt sich eine Klebestelle heraus.

Foto: BF 20 mit abgestürzter Z-Achse
BF 20 mit abgestürzter Z-Achse (künstlerische Rekonstruktion) (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Nach mehreren Wochen Stillstand sollte die BF 20 mir bei einem aktuellen Projekt behilflich sein. Die Inbetriebnahme ist in diesem Fall immer dieselbe: Erst einmal alle Gleitflächen einölen und dann die Referenzfahren, beginnend mit der Z-Achse, vornehmen.

Dort irgend etwas ist diesmal nicht normal: Die Maschine überfährt den Referenzschalter und fährt auf Block. Das ist für die kleine Maschine normalerweise zwar unerwünscht, aber nicht kritisch. Trotzdem wird schnell der Not-Halt betätigt, um das jämmerliche Jaulen des Motors zu beenden. Nach dem Neustart der Steuerung wird erst einmal der Referenzschalter getestet. Mit einem Schraubenschlüssel löst er, wie gewünscht, zuverlässig aus und wird von der Steuerung erkannt. Jetzt wird die Achse vorsichtig im Handbetrieb verfahren, erreicht aber den blockierten Zustand, schon bevor der Mitnehmer den Referenzschalter erreicht. Was ist hier … Rumms.

Im freien Fall saust der 40 kg schwere Z-Schlitten aus der höchsten Position nach unten und rammt das Spannzangenfutter mit einem häßlichen Geräusch auf den Schraubstock.

Die korrekte Vorgehensweise nach einem solchen Ereignis ist:

  1. Sicherstellen, daß nicht noch mehr abstürzen kann.
  2. Strom aus.
  3. Pause machen.
  4. Freuen, daß keine Hand dazwischen war.
  5. Danach ein Foto vom Unglückzustand machen.

Die Maßnahmen 3—5 habe ich allerdings vor Schreck vergessen.

Schadensaufnahme

Foto: Blick hinter den abgestürzten Z-Schlitten
Blick hinter den abgestürzten Z-Schlitten bei abgenommenem Fräskopf: Wenn das unten so aussieht, sieht es oben sicherlich … (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Ein solcher Absturz läßt das Schlimmste befürchten:

Der Pinolen-Vorschubhebel war während des Absturzes ausgekuppelt. So ist diese Verzahnung noch funktionstüchtig, und die Z-Achse kann mit dem Pinolenvorschub mithilfe einiger Unterlegplättchen aus Holz und der Z-Achsen-Klemmung vorsichtig etwas nach oben gepumpt werden.

Foto:Blick in die Z-Säule
… so aus. (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Das Spannzangenfutter läßt sich noch ganz normal mit der Abdrückstange abdrücken. Eine Befürchtung hat sich also nicht bewahrheitet.

Jetzt läßt sich auch der 40 kg schwere Fräskopf zur weiteren Schadensaufnahme abnehmen. Ein Blick hinter den verbleibenden Z-Schlitten zeigt einen traurig herausragenden Wellenstumpf.

Foto: Defekte Motor-Spindel-Einheit demontiert
Defekte Motor-Spindel-Einheit demontiert (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Genau wie bei der Y-Spindel war das Wellenende in die Spindel eingeklebt, und diese Klebung hat sich —mit dem bekannten verheerenden Ergebnis— gelöst.

Vor der Ursachenforschung steht die weitere Schadensaufnahme.

Für die weitere Schadensaufnahme (Vermessung der Geometrie) wird eine funktionierende Z-Spindel benötigt.


Interimsreparatur

Foto: Original-Handrad an der BF 20
Als vorläufiger Ersatz muß die originale Z-Trapezgewindespindel wieder herhalten. (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Beim CNC-Umbau sind an der Z-Achse keine Änderungen vorgenommen worden, die den Rückbau auf den ursprünglich verbauten Kurbeltrieb erschweren. Dieser ist auch noch vorhanden.

Nach dem Rückbau auf Handbetrieb der Z-Achse habe ich zumindest immer noch eine ausgezeichnete Koordinaten­bohr­maschine.


Weitere Schadensaufnahme

Foto: Anbaumeßschieber/ausgefahrene Pinole
BF 20 mit ausgefahrener Pinole (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Eine grobe Vermessung bringt keine inakzeptablen Beeinträchtigungen der Maschinengeometrie zu Vorschein: Der Rundlauf des Morsekegels der Hauptspindel, des Spannzangenfutters und selbst der Spannzangenmutter und der beim Absturz eingesetzten Spannzange sind noch akzeptabel. Die Ausrichtung der Z-Achse zum Maschinentisch wurde nicht beeinträchtigt. Glück gehabt. Wie lange die Hauptspindellager noch leben werden, wird sich zeigen. Laut geworden sind sie noch nicht.

Daß der Schaden verhältnismäßig gering ausgefallen ist, liegt vermutlich daran, daß vor dem Absturz die Pinole ausgefahren und geklemmt war. Der Pinolenvorschub war ausgekuppelt.

Nach dem Absturz war die Pinole komplett eingeschoben. Die Pinolenklemmung hat also als Reibdämpfer gewirkt und den Rest der Maschine vermutlich gerettet. Daß sich das Spannzangenfutter aus dem Morsekegel mit der Anzugstange abdrücken lies, ist zumindest ein gutes Zeichen.

Die Z-Spindel ist beim Fall nirgendwo angeschlagen und folglich nicht verbogen. Einer Komplettreparatur steht also nichts im Weg.


Ursachenforschung

Notizi: Belastung Klebeverbindung
Überschlagsrechnung: Belastung der Klebeverbindung (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Die Spindelaufnahme an der Z-Achse ist nicht die erste versagende Klebestelle des CNC-Umbau­satzes (zum Defekt der Y-Spindel siehe hier).

Dies wirft natürlich Fragen nach der Auslegung der Klebestelle auf. Alle weiteren Überlegungen zur Auslegung der Klebestelle beziehen sich auf den Klebstoff „Loctite 603 Fügen Welle-Nabe“, der am häufigsten für diesen Anwendungsfall eingesetzt wird.

Die Klebestelle wird aufgrund der Bauform rein auf Schub (ohne Schälanteil) belastet. Das sind für eine Klebung ideale Bedingungen. Eine kurze Über­schlags­rech­nung zeigt: Die Klebestelle ist in Hinblick auf die Standardbelastung richtig ausgelegt. (Der obengenannte Klebstoff bietet laut Datenblatt eine Grundscherfestigkeit von ≥22,5 N/mm².)

Für den Überlastbereich liegt die Festigkeit der Klebestelle in der gleichen Größenordnung wie die Zugfestigkeit des inneren und des äußeren Wellenstummels. Auch das ist sauber ausgelegt.

Der Klebespalt ist ein strammer Schiebesitz. Das ist für den genannten Klebstoff in Ordnung.

Die Auslegung der Klebung ist einwandfrei. Damit kommen nur noch zwei mögliche Schadensursachen infrage:

  1. Die Klebung wurde nicht einwandfrei ausgeführt (falscher Klebstoff, unzureichende Reinigung, falscher Temperaturbereich oder vorzeitige Belastung während der Aushärtung) oder
  2. Die Klebestelle wurde in ihrer Geschichte thermisch stark belastet oder
  3. Die Spindel wurde durch unpräzise Ausrichtung auf Biegung belastet, insbesondere wenn der Z-Schlitten kurz vor dem oberen Anschlag verfahren wurde.
Foto: Primitiver Fallhammer
Einfacher Fallhammer (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Praktischerweise befindet sich eine exakt gleich ausgeführte Klebung am anderen Spindelende: Der Wellenstummel am unteren Wellenende ist auch eingeklebt.

Schnell wurde ein einfacher Fallhammer gebaut, in den unteren Wellenstummel ein Gewinde M8 eingebracht und in den oberen Wellenstumpf ein Ersatz-Wellenstummel mit (überlagertem) Loctite 603 eingeklebt. Nach 24 Stunden erfolgte der Ausziehversuch mit dem Fallhammer: Die Welle wurde Kopfüber (d.h. mit dem originalen Wellenstummel nach oben) aufgehängt und der Fallhammer konnte sein unheilvolles Werk verrichten: Schon nach zwei kräftigen Schlägen löste sich der Original-Wellenstummel.

Schwieriger war es, den Ersatz-Wellenstummel auf der anderen Seite zu lösen. Nach dem neu-Einkleben des unteren Wellenstummels war viel Arbeit mit dem Heißluftgerät und dem Fallhammer nötig. Diese Arbeit gab mir viel Vertrauen in eine sauber ausgeführte Klebeverbindung zurück.


Reparatur

Foto: Geflickte Z-Spindel
Antriebspindel: Neu geklebt und frisch verstiftet (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Die eigentliche Reparatur der Spindel ist dann der kleinste Teil: Die Klebestelle wird innen und außen mit Mini-Drahtbürsten und mit Aceton gereinigt und der Wellenstummel wieder eingeklebt.

Nach der Trockenzeit von 24 Stunden und trotz meines wiedergefundenen Vertrauens wurde die Klebeverbindung mit einem Paßstift in den ungenutzten oberen 15 mm des Spindelgewindes gesichert. Hier kam die interimsmäßig wiederhergestellte Z-Achse der BF 20 gelegen: Trotz ihres Zustands ist sie meine genauste und steifste Bohrmaschine. Wenn man mit einem spröden VHM-Bohrer in ein gehärtetes Gewinde bohrt, weiß man das zu schätzen.

Praktisch schwächt die Paßstiftbohrung die Spindel als Ganzes, da der tragende Kern verkleinert wird und eine Kerbe bekommt. Er dient mehr dem Wohlgefühl, daß ein Absturz aufgrund der Klebestelle nicht wieder vorkommen kann.


Nachwirkungen

Foto: Neuer Endanschlag der Z-Achse
Neuer Endanschlag für die Z-Achse (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Bei der Suche nach der Schadensursache zeigte sich eine Schwachstelle der Maschine: Wird der Endschalter überfahren, ist das Anschlagen des (eckigen) Spindelmitnehmers in der runden Aussparung der Z-Säule faktisch der mechanische Endanschlag der Z-Achse nach oben. Der mechanische Endanschlag kommt zwar nur in zwei selten vor­kom­men­den Fällen zur Wirkung:

Trotzdem sorgt ein neuer Endanschlag mit Polymerpuffer für das gute Gefühl, eine komplexe Maschine wieder ein Stückchen sicherer gemacht zu haben.


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